Forschungsschwerpunkte

Wir sind in verschiedenen Forschungsfeldern aktiv und konzentrieren uns dabei auf eine Reihe langfristiger Forschungsschwerpunkte, die aus verschiedenen Teilprojekten bestehen.

  • Minderheiten – Umbrüche und TransformationenAusgehend von einem ethnographischen Forschungsprojekt zum organisationalen Wandel von Universitäten beschäftigen wir uns mit Minderheiten und deren gesellschaftlicher Lage, mit Prozessen der Elitenreproduktion sowie der Sozialisation in spezifischen Organisationstypen (v.a. totalen Institutionen sowie reinventive Institutions). (Projekt Becoming a Minority, gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds). 
  • Gesellschaft und Drogen: Der Gebrauch bewusstseinsverändernder Substanzen ist grundlegender Bestandteil menschlicher Gemeinschaften. Wir beschreiben und untersuchen die gesellschaftlichen Wissensbestände, welchen den Umgang mit solchen Substanzen in Politik, Recht, Wirtschaft und Kultur prägen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem alltäglichen Konsum psychoaktiver Substanzen und jenen Praktiken und Wissensbeständen, die für das Gelingen oder Misslingen der erfolgreichen Integration des Konsums in den Alltag ausschlaggebend sind. Gleichzeitig untersuchen wir auch den Wandel der Wahrnehmung und Deutung psychoaktiver Substanzen bzw. Drogen. (Projekt Cannabis im Alltag, gefördert vom Grundlagenforschungsfonds (GFF) der Universität St.Gallen)
  • Qualitative Forschung: Wir beschreiben und analysieren gesellschaftliche Phänomene primär aus der Perspektive des gelebten Alltags. Dazu treten wir in direkten Kontakt mit den Personen im entsprechenden Forschungsfeld und nehmen wenn möglich beobachtend an deren Alltag teil. Wir arbeiten mit nicht-standardisierten Interviews, Ethnographie und Fokusgruppengesprächen sowie mit textbasierten, akustischen und visuellen Daten. Institutionell produzierte Wissensbestände untersuchen wir mit dem Ansatz der wissenssoziologischen Diskursanalyse. Im Schnittpunkt von Ethnographie und Diskursanalyse sind an der Entwicklung der wissenssoziologischen Diskursethnographie beteiligt.
  • Architektur und Stadt: Im schweizerischen Kontext werden angesichts zunehmender Zersiedlung und Raumknappheit die Diskurse über Architektur und die Entwicklung städtischer Räume häufig von Schlagworten wie Verdichtung, Renditedruck und Nachhaltigkeit dominiert. Bisweilen geraten dabei zentrale Aspekte aus dem Blick, so etwa die alltägliche Wahrnehmung von Raum und gebauter Realität sowie die effektiven Nutzungsmuster gebauter Infrastruktur. In Lehrveranstaltungen und kleinen Projekten untersuchen wir diese Aspekte anhand konkreter Fragestellungen. Wir befassen uns mit Planungsprozessen und deren Auswirkungen auf die Entwicklung städtischen Raumes, aber auch mit der Frage, wie Architektur und alltägliches Handeln im Wechselspiel verstanden werden können.

Projekte

Über 20 Jahre nach dem Übergang zu einer demokratischen Verfassung ist Südafrika nach wie vor mit den gesellschaftlichen Folgen der Apartheid konfrontiert. Wie die weit verbreiteten Proteste an südafrikanischen Universitäten zeigen, besteht trotz der formellen Abschaffung der Apartheidgesetzgebung immer noch grosser Reformbedarf. Im Fokus dieses Projekts stehen die Veränderungsprozesse in studentischen Wohnheimen südafrikanischer Universitäten. Dort kann auf kleinem Raum ein Prozess beobachtet werden, der weltweit in anderen Gesellschaften teils auf ähnliche, teils auf andere Weise von Bedeutung ist, nämlichwie historisch privilegierte Bevölkerungssegmente mit dem langsam voranschreitenden (effektiven oder wahrgenommenen) Verlust ihrer Vorrangstellung umgehen– undwie diese Erfahrungen ihre Haltung zu und Umgang mit (politisierter) Ethnizität beeinflussen.

Die Studierendenwohnheime sind zentraler Bestandteil der lokalen Universitätskultur und bestimmen (teilweise massgeblich) den Ruf der Universität mit. Von den Studierenden wird in diesen nach aussen deutlich abgegrenzten Gruppen eine intensive Teilnahme verlangt: Sie tauchen in eine Welt ein, die praktisch ihren gesamten Alltag bestimmt und in der sie – als Gruppe weitgehend selbstverwaltet – gewollt oder ungewollt das Zusammenleben und die politische Mitbestimmung in einer Gemeinschaft üben und praktizieren. In diesen «kleinen Öffentlichkeiten» wird die südafrikanische Gesellschaft mit ihrem vielfältigen Gefüge unterschiedlichster sozialer Positionen und Beziehungen repräsentiert, teils bestätigt und teils in Frage gestellt. Im Zentrum des Untersuchungsinteresses stehen die Prozesse, in denen Studierende unterschiedliche Formen der Zugehörigkeit und Teilhabe aushandeln. Mit einem besonderen Blick auf die weissen Studierenden wird untersucht, wie sie dabei mit Erfahrungen zunehmender Unsicherheit umgehen und welche alltäglichen Formen von Ethnizität ihre Wahrnehmung, ihr Selbstverständnis und ihre Handlungen prägen.

Die Untersuchung basiert auf einer qualitativen Forschungsstrategie, die Tiefeninterviews und teilnehmende Beobachtung umfasst: Mit den Tiefeninterviews werden die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Selbstverständnisse der Studierenden rekonstruiert und untersucht. Auf Grundlage teilnehmender Beobachtung und ethnographischer Interviews wird eine dichte Beschreibung der Wohnheime erstellt, d.h. ihrer symbolischen, kulturellen und materiellen Infrastruktur, in deren Kontext Zugehörigkeit und Teilhabe ausgehandelt werden. Die Untersuchung konzentriert sich auf zwei historisch weisse Afrikaans-Universitäten.

Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt (SNF-Projektdatenbank).

Cannabis im Alltag. Integrierter und gelingender Cannabiskonsum in der Schweiz

Der Cannabiskonsum hat sich auch in der Schweiz fest etabliert und ist unter Menschen aller Altersstufen und Milieus seit vielen Jahre weit verbreitet. Während sich die bisherige Forschung vor allem mit der Frage beschäftigt hat, wie der problematische Cannabiskonsum reduziert werden kann, ist der unauffällige und integrierte Konsum noch weitgehend unerforscht. Gesicherte Erkenntnisse darüber zu erlangen ist jedoch gegenwärtig besonders bedeutsam, da auch in der Schweiz Schritte zur Neuregulierung gemacht und in naher Zukunft erste Pilotversuche zur Abgabe von Cannabis zum nicht-medizinischen Gebrauch gestartet werden. Dazu will dieses Forschungsprojekt einen Beitrag leisten.

Im Fokus des vorliegenden Forschungsvorhabens steht die empirische Beschreibung und Analyse des gut funktionierenden und gut in den Alltag integrierten Cannabiskonsums. Damit schliesst das Projekt an ein international emergentes Forschungsfeld an, das im Zuge der vom nordamerikanischen Kontext ausgehenden Entstigmatisierung und Liberalisierung von Cannabis in nicht-problematisierender Weise die unterschiedlichen Facetten des gut in das Alltagsleben integrierten und kompetenten Cannabiskonsums untersucht. Diese Neuausrichtung des empirischen Fokus geht mit einer epistemologischen und theoretischen Rekonzeptualisierung von Cannabis im Schnittpunkt von Biologie und Gesellschaft einher. Empirische sozialwissenschaftliche Forschung, die den Cannabiskonsum ohne A-priori-Problematisierung resp. ohne eine implizit problemorientierte Perspektive untersucht, ist im schweizerischen Kontext indes praktisch inexistent, obschon auch in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten im Spannungsfeld zwischen breiter sozialer Akzeptanz und rechtlich illegalem Status ein differenziertes kulturelles Repertoire der gelingenden Konsumpraxis entstanden ist. In politischen Schriften und der Populärkultur thematisiert, handelt es sich beim gut in den Alltag integrierten Konsum um eine nur ansatzweise erforschte Alltagsrealität.

Das Ziel des Projekts besteht daher erstens in der systematischen Beschreibung und Typisierung der unterschiedlichen Konsumformen von Cannabis und den damit zusammenhängenden Konsummotivationen. Methodisch ist das Projekt als qualitative Feldforschung konzipiert, die mit Interviews und selektiv durchgeführten ethnographischen Beobachtungen im Raum St. Gallen vor allem drei Settings untersucht: das Setting der Konsumpraxis, das Setting der Thematisierung sowie das Setting des Cannabis-Erwerbs. Zweitens werden systematisch die unterschiedlichen Arten und Weisen rekonstruiert, wie der Cannabiskonsum kompetent in die Lebenswelt integriert wird und mit welchen sozioökonomischen und demographischen Merkmalen sowie welchen (sub)kulturellen Wissensbeständen dies zusammenhängt. Drittens soll auf Basis der empirischen Daten eine konzeptuelle Erweiterung der in der Drogenforschung üblichen Unterscheidung von Substanz, Set und Setting vorgenommen werden. Der Fokus liegt dabei auf Kulturwissen und dem «stake in conventional life».

Das Projekt wird gefördert vom Grundlagenforschungsfonds (GFF) der Universität St.Gallen.

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